Symposium Jugendkriminalität
am 28. Mai 2004
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CLF-Archiv:
Aktiv und präventiv
"Jugendkriminalität - Chancen und Herausforderungen der verbandlichen
Jugendarbeit" war der Titel eines Symposiums,zu dem das Online-Jugendportal
"BlackTower" geladen hatte. Bbr. Robert Kert war als Experte
mit dabei.
Unter der Leitung von "BlackTower" - Chefredakteur Clemens Appl v. Prometheus,
TKW, diskutierten Experten und Vertreter von Jugendorganisationen über
das Thema Jugendkriminalität und wie Jugendorganisationen dazu beitragen
können, ihr entgegenzuwirken.
"Traue keiner Statistik ..."
Gerhard Brenner vom Bundeskriminalamt griff zum Einstieg auf die Kriminalstatistik
zurück und stellte fest, dass heute mehr angezeigt werde als früher. Allein
daraus könne man aber noch keinen Anstieg der Kriminalität ablesen, denn
"Statistiken kann man so und so lesen", was Brenner sehr anschaulich illustrierte:
Wenn es mehr Polizeieinsätze gebe, würde sich das auf die Zahlen in der
Statistik niederschlagen, wenn an Polizeikräften gespart werde, würden
eben entsprechend weniger Fälle ausgewiesen. Dass die Zahl der Anzeigen
steige, liege außerdem schlichtweg daran, dass "heute jeder versichert
ist". Und für einen Versicherungsfall brauche man nun einmal eine Anzeige.
Zudem habe in der Bevölkerung ein Umdenken eingesetzt, was die Prioritätensetzung
angeht. Habe früher noch der Schutz vor Einbruch und Diebstahl im Vordergrund
gestanden, so würde heute die Prävention hinsichtlich Jugendkriminalität,
Drogenkonsum und Sexualdelikten als besonders wichtig angesehen.
13,5 Prozent der im Jahr 2003 angezeigten Straftäter sei 18 Jahre alt
oder jünger gewesen. Statistisch sei ein stetiger leichter Anstieg zu
verzeichnen. An Delikten wurden in erster Linie Vandalismus, Mopeddiebstahl
und Drogenbegleitdelikte wie Straßenraub oder Trafikraub verzeichnet.
Motive seien in der Regel die Mutprobe, Gruppendruck oder ganz einfach
nicht vorhandenes Unrechtsbewusstsein. Klar unterschieden werden müsse
zwischen Jugendzeitrechtsbrechern und chronischen Rechtsbrechern, weil
jugendliche Straftäter oft nur aus mangelndem Selbstvertrauen falsch handelten
oder weil sie Gewalt am Vorbild gelernt haben, beispielsweise durch Computerspiele.
Der chronische Lebenslaufverbrecher hingegen blicke häufig auf eine längere
Geschichte zurück, in der er Gewalt in der Familie oder der Gruppe erfahren
habe. Ganz allgemein sei Jugendkriminalität jedenfalls immer auch ein
Spiegel der Gesellschaft.
Angemessene Strafen für Jugendliche
Univ.-Ass. Bbr. Dr. Robert Kert v. Tacitus vom Institut für Strafrecht
an der Universität Wien erklärte, dass das Jugendstrafrecht auf alle 14-
bis 18-jährigen angewandt wird. Eine eigene Gruppe sei auch noch jene
der 18- bis 21-jährigen. Das Jugendstrafrecht sehe Maßnahmen vor, die
sich vom Erwachsenenstrafrecht unterschieden. So gebe es einen viel umfangreicheren
und differenzerteren Katalog an Maßnahmen, die als Straffolge gewählt
werden könnten. Damit solle sichergestellt werden, dass auf die besondere
Situation Jugendlicher am angemessensten reagiert werden könne. Schließlich
sei es nicht sinnvoll, dem Jugendlichen die Zukunft zu verbauen. Deshalb
sehe das Gesetz Möglichkeiten wie den "außergerichtlichen Tatausgleich"
vor, bei dem der Täter mit dem Opfer zusammenkommt und den entstandenen
Schaden wiedergutmacht. In vielen Fällen würden auch Urteile ausgesprochen,
ohne dass eine Strafe verhängt wird. 85 Prozent der Verfahren würden überhaupt
ohne förmliches Urteil beendet. Oft reiche sogar schon der Kontakt mit
der Polizei aus, um aus dem Fehler zu lernen. Die Verhängung "normaler
Strafen" wie bei Erwachsenen würde kontraproduktiv wirken. Die jungen
Menschen würden diesfalls aus der Gesellschaft gedrängt statt zurückgeführt;
sie würden in Gefängnissen auch mit Leuten in Kontakt kommen, der nicht
gut für sie wäre. Strafen sollten daher immer das letzte Mittel sein.
Was das angedrohte Strafausmaß angeht, so begnügten sich die Sonderbestimmungen
für Jugendliche mit der halben Höhe wie bei Erwachsenen. Weitere verfahrensrechtliche
Besonderheiten seien etwa die Möglichkeit, Vertrauenspersonen hinzuzuziehen
oder eine Jugendgerichtshilfe. Bei der Berichterstattung durch Massenmedien
bestehe ein besonderer Schutz durch das Recht auf Nicht-Veröffentlichung
des Bildes. Sollte es schlussendlich zum Strafvollzug kommen, so werde
dieser in eigenen Anstalten oder Abteilungen praktiziert. In diesem Zusammenhang
kritisierte Kert das Zusperren der Jugendgerichte, "um die uns andere
Länder beneidet haben", als falschen Weg. Mit den nunmehr zur Verfügung
stehenden Mitteln sei die besondere Behandlung von Jugendstrafsachen kaum
mehr möglich.
Die Ursachen der Kriminalität lägen oft in sozialer Desintegration. Jugendorganisationen
könnten hier eine wichtige Rolle spielen, weil sie Jugendlichen ein soziales
Umfeld geben können, in dem sie sich verwirklichen und entfalten können
und in dem sie ernst genommen werden. Das sei zwar noch keine Garantie,
aber eine gute Prävention.
Jugend ist nicht schlechter geworden
Mag. Josef Hollos, Leiter des Jugendreferats des Landes Wien, meinte,
man müsse die Jugend immer im Zusammenhang mit dem Umfeld beurteilen,
das ihnen von der Gesellschaft, aber auch von den Eltern oder den Medien
geboten werde. Die Jugendlichen von heute seien jedenfalls sicher nicht
besser oder schlechter, als sie es früher waren.
Früher habe man von Wohlstandskriminalität gesprochen, heute gehe es meist
um Beschaffungskriminalität: " Viele machen Blödheiten, weil sie in einer
Notlage sind." Für die Stadt Wien sei die Prävention vorrangig, hier gebe
es auch entsprechend gut ausgebaute Angebote mit Anlaufstellen, Jugendzentren,
Streetwork oder der mobilen Prävention. Insgesamt stelle Wien für Jugendarbeit
29 Millionen zur Verfügung, auch Jugendorganisationen würden stark unterstützt.
Hollos konzedierte, dass es Jugendorganisationen heute nicht leicht hätten.
Das sei nicht zuletzt ein Problem mangelnden Bindungswillens.
Verantwortung übernehmen,
Konfliktlösung lernen
Für den Wiener Stadtverband des MKV strich Mag. Gregor Lebschik v. Churchill,
TKW, heraus, was Jugendorganisationen leisten können, um Jugendlichen
die "Spirale der Kriminalität" von vornherein zu ersparen, nämlich Chancen
und Möglichkeiten zur Verantwortung zu geben und Konfliktlösungsmechanismen
zu erlernen. Das sei gerade in kleinen Gruppen wie Studentenverbindungen
sehr gut möglich. "Was leider alle Jugendorganisationen zu spüren bekommen,
ist eine immer stärkere 'Ist mir egal'-Stimmung bei jungen Menschen. Gesellschaft
geht uns aber alle an!" sagte Lebschik.
Gemeinschaft beugt am besten vor
Mag. Wolfgang Mohl präsentierte das Konzept, mit dem die österreichische
Jungarbeiterbewegung arbeitet. Sie betreibt in ganz österreich 22 Wohnheime,
die "zweite Heimat" werden sollen und in denen es eine Vielzahl an Veranstaltungen
gebe. Schon die Architektur der Heime sei so angelegt, dass es zu Begegnungen
komme, wozu unter anderem Fitnessräume, Tischtennis-Räume usw. beitrügen.
Auf diesem Weg solle es leichter gemacht werden, "einander Zeit zu schenken,
bei Problemen zu helfen, Rücksichtnahme und Toleranz zu lernen - und zu
lernen, dass am meisten herauskommt, wenn man etwas gemeinsam tut". Gemeinschaft
zu schaffen sei die nachhaltigste Form der Prävention.
Fokus Schule
Jakob Fischill, selbst Schülerverteter an einer höheren Schule in Wien,
meinte, Diebstahl sei gar nicht mehr das große Problem, ganz oben auf
der Liste stünden vielmehr Gewaltverbrechen. "Es ist auffallend, dass
die Leute immer aggressiver werden", sagte Fischill. Zur Rolle der Jugendorganisationen
meinte er, bei diesen könne man nur den kleineren Teil der Zeit verbringen,
während man die meiste Zeit in der Schule sitze, wo sehr großer Gruppendruck
herrsche. Die Situation an den Schulen sei deshalb von vorrangigem Interesse.
(29.6.2004)
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